In "NUSSKNACKER" beschäftigte sich die Choreografin Antje Pfundtner mit dem wohl bekanntesten Ballett des 20. Jahrhunderts: "Der Nußknacker“. Aufgrund seiner internationalen Popularität ranken sich unterschiedlichste Entstehungsgeschichten, Quellen und Interpretationen um das Stück.
In Gesellschaft ihrer acht Tänzer:innen, des Komponisten Sven Kacirek und einem ›Chor de Ballet‹ widmete sich Pfundtner den Bildern, die diesem wohl populärsten Werk der westlichen Tanzgeschichte anhaften, und suchte nach den Ent- und Widersprechungen im eigenen und kulturellen Gedächtnis.
Die Projektdokumentation (siehe oben) zeigt, wie sich Antje Pfundtner mit ihrer Compagnie im Probenprozess dem Mythos „Nußknacker“ angenähert hat: In einem Workshop mit der Tanzwissenschaftlerin Isa Wortelkamp beschäftigten sich die Tänzer:innen mit historischen „Nußknacker“-Fotografien. Die Bilder wurden diskutiert, analysiert und in kurze Bewegungssequenzen übersetzt. Von der ehemaligen Solistin und heutigen Co-Ballettdirektorin (Theater Kiel) Heather Jurgensen, die eine langjährige Geschichte mit dem „Nußknacker“ verbindet, lernte die Compagnie darüber hinaus an zwei Tagen die Solovariation der Louise aus der berühmten „Nußknacker“-Version von John Neumeier.
Die von der Dramaturgin Anne Kersting kuratierte "Tauschbörse der Erinnerungen", die am 1. Dezember 2012 auf Kampnagel Hamburg stattfand, war ein weiterer Baustein der künstlerischen Recherche zum Umgang mit Vergangenem und zu heutigen Methoden der Vergegenwärtigung.
Die Tauschbörse versammelte Kulturtheoretiker:innen, Geschichts- und Tanzwissenschaftler:innen sowie weitere Expert:innen, um Modelle sozialer, politischer und kultureller Erinnerungspraktiken zu diskutieren und gemeinsam mit dem Publikum in unterschiedlichsten Formaten zu erproben.
Wie nähert man sich einem Mythos? Im Interview sprechen Pfundtner und Kacirek über ihre Arbeitsweisen und persönlichen Erfahrungen mit dem Ballettklassiker.
Antje Pfundtner
Die Choreografin und Tänzerin Antje Pfundtner erhielt ihre Ausbildung an der Amsterdamse Hogeschool voor de Kunsten (Niederlande) im Bereich Moderne Theaterdans. Stipendien führten sie u.a. nach New York und zum danceWEB Wien. Sie war Trägerin des Patenschaftsfonds der Kunststiftung NRW. Seit 2001 lebt die Choreografin in Hamburg, wo sie die meisten ihrer Produktionen erarbeitet, u.a. ihr Solo „eigenSinn“, das zur TANZPLATTFORM DEUTSCHLAND 2004 eingeladen war. Seither sind zahlreiche Gruppen- und Kooperationsprojekte entstanden, etwa „Outlanders“ (2006) mit der chinesischen Choreografin Wen Hui vom Living Dance Studio in Peking. Im Rahmen des internationalen Produktionskollektivs „O is not AcCompany“ erarbeitete Antje Pfundtner das Solo „TIM ACY“ , das auf der Tanzplattform Deutschland 2012 gezeigt wurde.Neben ihrer eigenen künstlerischen Arbeit choreografiert Antje Pfundtner Theater- und Musikproduktionen, arbeitet als Coach für Tanzprojekte mit Jugendlichen (u.a. „I like to move it move it“, Linz09) und unterrichtet regelmäßig internationale Workshops und Seminare.
Sven Kacirek
Der Musiker und Komponist Sven Kacirek studierte am Konservatorium Arnhem (NL), an der Musikhochschule Hamburg sowie am Drummers Collective New York. Neben Kooperationen mit Musikern und Bands wie Hauschka, F.S. Blumm, Jan Dvorak, Jan Plewka, Martin Bisi, Alexander Schubert und Uwe Haas und der Produktion eigener Soloalben, arbeitet er als Komponist und Musiker für zeitgenössische Tanzproduktionen u.a. von Angela Guerreiro, Filip van Huffel und Johnny Lloyd. Mit Antje Pfundtner verbindet ihn seit 2007 eine enge Zusammenarbeit. „Nussknacker“ ist nach „Die Kandidaten“ (2007), „RES(E)T“ (2008) , „TIM ACY“ (2010) und „VERTANZT“ (2011) bereits die fünfte gemeinsame Produktion. Sven Kacirek lebt und arbeitet in Hamburg.
Nussknackers neue Kleider
Irmela Kästner im Gespräch mit Heather Jurgensen und Antje Pfundtner über den „Nussknacker“.
Antje Pfundtner steht auf Märchen. Und sie liebt Tschaikowskis Musik. Nun hat sich die Hamburger Choreografin und Tänzerin das Traditionsballett „Der Nussknacker“ als zeitgenössische Inszenierung vorgenommen und zur Einstimmung ihrer Tänzer eine ehemalige Primaballerina für einen Workshop eingeladen: Die Amerikanerin Heather Jurgensen ist durch „Nutcracker“-Seasons am New York City Ballet bestens präpariert und hat sich später beim Hamburg Ballett mit der Rolle der Louise in John Neumeiers „Nussknacker“- Ballett ihren ganz persönlichen Tanztraum erfüllt. „Der Nussknacker“ war auch das erste Ballett, das die heutige stellvertretende Direktorin am Ballett Kiel mit ihrem Mann Yaroslav Ivanenko heraus brachte. Und nach einem Workshoptag auf Kampnagel mag man fast glauben, der zeitgenössische Tanz entdeckt für sich neu, was das Ballett bereits abgestreift hat.
Heather Jurgensen, was verbindet Sie mit dem „Nussknacker“?
Heather Jurgensen (H J): Als Tänzerin kommt man um den „Nussknacker“ nicht herum. In meinem Fall hat er die ganze Karriere begleitet, von den ersten Auftritten im Kindesalter an. Später beim New York City Ballet haben wir Balanchines „Nutcracker“ jede Saison fünf Wochen langen suite gespielt, acht Vorstellungen pro Woche. Ein zauberhaftes Spektakel, aber da bekam ich dann doch mitunter gemischte Gefühle. Letztendlich aber gehört das Stück zu meiner Geschichte.
Antje Pfundtner, wann haben Sie den „Nussknacker“ kennengelernt?
Antje Pfundtner (A Pf): Ich war ja auch ein Ballettkind. Meine Lehrerin hat allerdings eigene Ballettmärchen geschrieben, dazu aber die „Nussknacker“-Musik benutzt. Daher rührt meine Liebe zu dieser Musik. Außerdem gehört der „Nussknacker“ zu den Werken, die sich in ein kulturelles Gedächtnis eingebrannt haben. Ich möchte behaupten: Selbst wenn du mit Tanz nichts zu tun hast, meinst du den Nussknacker irgendwie zu kennen. Für mich ist er ein Platzhalter, eine Art Sprungbrett, weil er viele Dinge beinhaltet, die mich in meiner Arbeit bewegen. Dabei reizt mich besonders der Umgang mit Musik, wie mit Tänzen gearbeitet wird, das Element Märchen.
Wie kamen Sie darauf Heather Jurgensen einzuladen?
A Pf: Ich wollte in jedem Fall jemanden einladen, der aus dieser Welt kommt, darin eine Karriere hatte und eine Liebe dafür. Ich habe als Kind auch Ballett gemacht, in meinem Tanz wird man das einschlägige Bewegungsvokabular erkennen. Und Geschichten, die sich in den Körper eingeschrieben haben, sollte man nicht verleugnen. Aber ich könnte das niemals unterrichten.
Die Solovariation der Louise, die Sie, Heather, zum Workshop mitgebracht haben, ist eine hoch diffizile klassische Tanzvariation. John Neumeier hat sie für eine Ballerina und zugleich als Reverenz an den Purismus eines Marius Petipa kreiert. Wieso haben Sie gerade diese Variation ausgesucht?
H J: Antje bat mich, dass ich etwas mitbringe, das mir gehört, meiner Erfahrung entspringt. Die Rolle der Louise ist für mich identisch mit dem „Nussknacker“, ich habe sie 13 Jahre lang getanzt, sie ist in mir drin.
Hatten Sie keine Bedenken, eine Gruppe von zeitgenössischen Tänzerinnen und Tänzern damit zu überfordern?
H J: An die Männer hatte ich ursprünglich nicht gedacht und habe zunächst befürchtet, dass es ihnen keinen Spaß machen würde. Die Variation ist sehr weiblich und wird normalerweise auf Spitze getanzt. Aber sie waren voll dabei.
Hat Sie das erstaunt?
H J: Ja, dass sie keine Hemmungen hatten.
A Pf: Als wir uns das Originalmaterial angeschaut hatten, haben meine Tänzer ganz wahllos reagiert und nur auf den Tanz geschaut. Das hat mir gefallen.
Welche Idee war zündend für den Workshop – dass sich die unterschiedlichen Körperlichkeiten des klassischen und zeitgenössischen Tanzes aneinander reiben, um daraus ein Stück zu extrahieren?
A Pf: Die Anweisung, die ich meinen Tänzern gegeben habe, war: Gebt euch hinein in das was Heather anbietet, aber reflektiert dabei eure eigene Geschichte, stellt euch die Frage: Wo bleibt das in meinem Körper hängen? Dieser Reibung sollten sie nachgehen, damit der Tanz nicht Fassade bleibt oder nur ein flüchtiger Spaß für einen Tag.
H J: Ich finde: Tänzer sind Tänzer. Egal ob sie vom Ballett oder aus einer anderen Tradition kommen. Das Gefühl im Ballettsaal ist immer gleich. Es gibt eine große Offenheit. Ich bin hier in den Raum gekommen und habe mich gefreut, so interessante Menschen zu treffen. Ich war sehr gespannt, wie die Tänzer das Material aufnehmen werden.
Diese „Rolle, die mir gehört“ ist doch eine sehr Ballett-typische Zuschreibung. Wie verhält es sich mit dem weitergeben?
A Pf: Schon im ersten Gespräch kamen Heather und ich auf die Bedeutung von Lehrerfiguren zu sprechen. Meine prägende Ballettlehrerin, Patricia Kapp, ist letztes Jahr gestorben. Ich hatte sie bereits in die Recherche einbezogen. Sie war ganz begeistert von meiner Idee und hat mir noch ihr Petipa-Buch geschickt. Und Heather hat mir sofort erzählt wie inspirierend ihre eigene ihre Lehrerin Violette Verdy für sie war. Die Person, die dich geprägt hat, verschmilzt mit der Erinnerung an ein eigenes Repertoire. Wobei in einer zeitgenössischen Ausbildung in der Regel Tanzikonen ästhetisch weniger prägent sind als eine Schule oder ein bestimmter Choreograf.
H J: Violette Verdy hat uns beim New York City Ballet täglich unterrichtet – für mich eine ausgesprochen großzügige, enthusiastische Persönlichkeit, und intelligent dazu! Ich wusste, dass sie John Neumeier für die Rolle der Louise inspiriert hat. Es ist das einzige Mal gewesen, dass ich John darum gebeten habe, eine bestimmte Rolle tanzen zu dürfen.
Wie viel Freiheit beinhaltet das Schlüpfen in eine vorgefundene Rolle – oder umgekehrt: wie viel Kopierzwang?
A Pf: Bei meinen Recherchen im Tanzarchiv Köln habe ich in Filmsequenzen gesehen, wie die großen Ballerinen ihre Rollen an jüngere weitergeben, und das oft, was ich sehr lustig fand, zu einem Zeitpunkt, als sie sich selbst schon gar nicht mehr gut bewegen konnten. Also wurde der Tanz nur noch über Sprache und ein paar Gesten und Andeutungen vermittelte. Das ist eine interessante „Überschreibung“, demnach gibt es im Ballett kein totales Bild, das exakt zu kopieren ist. Die junge Ballerina kann immer auch etwas von sich selbst hineingeben.
H J: Nach meiner Erfahrung bewegt sich der Tanz immer ein bisschen weg von der tatsächlichen Choreografie. Wir haben zwar ab und an ins Buch der Choreologin geschaut. Aber wir hatten stets einen gewissen Freiraum in der Interpretation.
A Pf: Meine Tänzer dachten übrigens bis gestern, dass auch Heather eine dieser alten Ballerinen sei, aufgrund der enormen Karriere, die sie bereits hinter sich hat. Ich musste sie erstmal erinnern, dass klassische Tänzer viel jünger anfangen. Das ist für mich ein wichtiger Unterschied, der meinen Weg entscheidend bestimmt hat.
Was ist der besondere Reiz am „Nussknacker“? Immerhin haben Sie, Heather, das Stück erst kürzlich mit Ihrem Mann Yaroslav Ivanenko in Kiel auf die Bühne gebracht.
H J: Es war auch der Wunsch des Intendanten Daniel Karasek, der meinte, es habe so lange keinen richtigen Klassiker mehr in Kiel gegeben. So haben wir entschieden, den „Nussknacker“ als Familienstück anzulegen. Zwei tolle Stunden Tanz und Unterhaltung sind daraus geworden. Die Geschichte von E.T.A. Hoffmann wird erzählt. Allerdings ist Klara ist bei uns ein Mädchen im Internat, während im Keller darunter der Mäusekönig regiert. Ich denke, unsere Inszenierung ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was Antje vorhat.
Nämlich?
A Pf: Es ist eine Art Auseinandersetzung im Prozess. Ich hoffe, dass man diese Auseinandersetzung als Qualität erkennen wird. Die Kindheitsbezüge schöpfe ich aus autobiografischem Material, was ich ja oft tue. Wie gesagt, für mich ist der „Nussknacker“ ein Sprungbrett, auch, was die Musik betrifft. Sven Kacirek hat sich die gesamte Partitur angeeignet, aber auch da wird letztlich etwas Eigenes und kein „Kacirek goes Tschaikowsky“. Trotzdem habe ich Angst, dass Leute enttäuscht sein werden, weil sie die Geschichte von Klara sehen wollen.
Mäuse treten aber offenbar auch auf, denn dort am Haken hängen bereits die Mäuseschwänze.
A Pf: Ich probe oft mit Requisiten, die einen Ausdruck überzeichnen, im Stück jedoch am Ende gar nicht vorkommen. Wir arbeiten auch mit den Figuren; Thema ist dann aber der Umgang mit einer Figur, nicht die Figur selbst. Trotzdem ist es für mich etwas anderes, über die Reibung an einer Vorlage den Weg in die eigene Arbeit zu suchen. Ich werde eine Überschreibung, aber keine weitere Variante des „Nussknackers“ machen. Und keine Interpretation. Allerdings: Der Titel bleibt, weil jede Umschreibung den Charakter kaputt machen würde.
Was ist das Reizvolle am Spiel mit den Figuren?
H J: Ich habe es als Tänzerin immer geliebt, eine Rolle zu gestalten, jemand zu werden und das auch glaubhaft zu machen. Und dabei einer Handlung zu folgen, eine Geschichte zu erzählen. In diesem Workshop interessiert es mich, freier damit umgehen, zu improvisieren, einen Austausch in Gang zu setzen und nicht nur die Schritte zu zeigen. Ich beziehe auch die traditionelle Gestensprache des Balletts ein, das habe ich extra vorbereitet und recherchiert.
A Pf: Ich habe mir gewünscht, in diese Richtung zu arbeiten. Da ich selber viel in Gesten spreche, haben wir bereits daran gearbeitet, eine Figur über Gesten aufzubauen.
Ist die Geschichte von Klara dann überhaupt noch wichtig?
H J: Im traditionellen „Nussknacker“ braucht es schließlich einen Grund dafür, dass zwei Akte getanzt werden, und Klara ist das Bindeglied. Eigentlich ist die Handlung im ersten Akt erledigt, aber dann geht es erst richtig los, mit den Divertissements, mit den verschiedenen Tänzen. Erst dann beginnt die Reise, erst dann wird es bunt.
A Pf: Es ist ein großer Wunsch meiner Tänzer, zwei Akte zu tanzen; ich selbst bin noch unentschieden. Beim Ballett gehört für mich das Glas Sekt in der Pause und der ganze Zauber drumherum einfach dazu. Immerhin könnte mir ein zweiter Akt die Legitimation verschaffen, noch einmal ganz neu zu beginnen. Und das ist durchaus eine reizvolle Option.
Erschienen in tanz 12/2012.
Irmela Kästner, Hamburg, Autorin und Tanzkritikerin.
Im Rahmen ihrer Uraufführung „Nussknacker“ am 12.12.2012 erforschte die Tanzcompagnie Antje Pfundtner in Gesellschaft das Erinnerungsvermögen des Körpers und befasste sich mit dem choreografischen Spielraum, den die Vorstellungen von einem tradierten Werk und die inszenatorische Aneignung vorgeben. Zur Erweiterung ihrer Recherche zu heutigen Methoden der Vergegenwärtigung veranstaltete die Compagnie, weit über den Tanz hinaus, eine „Tauschbörse der Erinnerungen“, bei der Experten zusammenkamen, um interdisziplinär über die heutigen Funktionen und Strategien des Erinnerns zu diskutieren.
In „Vertanzt“, dem letzten Stück von Antje Pfundtner mündete ein auf der Bühne geführtes Zwiegespräch über die Unvereinbarkeit von Erinnerungen in ein zwölfminütiges Tanzduett, das sich mit großer Leichtigkeit über das insistierende Gedächtnis der beiden Tänzerinnen hinwegsetzte. Aus dem nicht zu erreichenden Konsens zwischen der Aussage „Ungefähr so muss sie es gemacht haben“ und der Antwort „Ich erinnere das anders“ wurde eine gemeinsame Choreografie, deren Dynamik jedes auf Richtigkeit beharrende Erinnern im Hier und Jetzt der Bewegung vergessen machte.
Der Ruf nach Erinnerungskultur wächst
Vorweg die Erinnerung an eine Inszenierung, um zur Kernfrage des Symposiums zu gelangen: Wie bewegen wir uns zwischen dem Vergangenen, dem Gegenwärtigen und den Zukunftsprognosen? Und wie können wir uns auf unsere Erinnerungen stützen, wenn sich uns bereits die eigene Gegenwart oftmals entzieht? Heutzutage wird, hinsichtlich der weit verbreiteten Frage nach unserem Verhältnis zur Geschichte, das Erinnern zunehmend zum populären Thema. Der Ruf nach Erinnerungskultur wächst, und mit ihm drängt sich die Diskussion auf, in welchem Gedächtnisraum wir agieren. Während die Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges aussterben, tritt an die Stelle individueller und unmittelbarer Erinnerung eine kulturelle Form der Memoria. Gleichzeitig wachsen Generationen heran, die sich mit den Anforderungen und den Folgen der Modernisierung konfrontiert sehen. Der tiefgreifende Einschnitt durch Globalisierung, Klimawandel und Finanzkrise desorientiert und fördert die Sehnsucht nach Rückbesinnung und Nostalgie. Welche Form der Orientierung braucht also die Gegenwart, um eine Grundlage für gegenwärtiges und zukünftiges Handeln zu schaffen, und welche Rolle spielt dabei das Erinnern? Die „Tauschbörse der Erinnerungen“ versammelte Kulturtheoretiker:innen, Gedächtnisforscher:innen, Geschichts- und Tanzwissenschaftler:innen, Künstler:innen und weitere Expert:innen, um Modelle sozialer, politischer und kultureller Erinnerungsmethoden zu diskutieren und in unterschiedlichsten Formaten zu erproben.
Wie werden wir aufgefordert, zu erinnern? An wen geht der Auftrag? Wohin mit den Mechanismen der Idealisierung? Wo werden Erinnerungen abgelegt? Und was ist davon unser Erbe?